Rückenschmerzen – Osteopathie
Eine ganzheitliche Betrachtungsweise
am Beispiel von Kreuzschmerzen
Statistisch gesehen haben jedes Jahr zwischen 27 – 40% der Erwachsenen in Deutschland Rückenschmerzen und 80% aller Deutschen mindestens 1 mal in ihrem Leben darüber geklagt. Man kann also von der Volkskrankheit „Rückenschmerzen“ sprechen, wobei der Lendenbereich am häufigsten betroffen ist. Neben Infektionen der Atemwege sind sie der zweithäufigste Grund für die Konsultation des Arztes. Sie sind verantwortlich für Krankschreibungen und Frühverrentung.
Es gibt spezifische Kreuzschmerzen, bei denen sich eine konkrete Ursache finden lässt. Davon abzugrenzen sind unspezifische Schmerzen, bei denen sich keine konkreten Ursachen zuordnen lassen.
Bemerkenswert ist, dass starke degenerative Veränderungen des Haltungsapparates nicht automatisch auch die meisten Beschwerden verursachen müssen. Es kann durchaus sein, dass nur z. B. kleine Veränderungen zu starken Schmerzen führen können.
In ca. 90% der Fälle finden sich keine konkreten Auslöser für die Beschwerden. D. h. nur bei 10% lassen sich Ursachen wie degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule, Tumore, Entzündungen etc. feststellen.
Jeder Patient wird in der Osteopathie individuell betrachtet. Das Zusammenspiel der verschiedenen Strukturen im viszeralen, craniosacralen und parietalen Bereichen ist sehr komplex.Es bedarf daher umfassende Tests, die von einer globalen zu einer lokalen Untersuchung hinarbeiten.
Um dies zu verdeutlichen habe ich Ihnen aus osteopathischer Sicht einige Beispiele aufgelistet, die allesamt zu Schmerzen im unteren Rückenbereich führen können:
Craniale Dysfunktion
Die Dura mater (Hirnhaut, sie umgibt auch die Spinalnerven der Wirbelsäule) ist am Cranium (Schädel) und am 1 – 3 Halswirbel, sowie am Kreuzbein befestigt. Beweglich ist sie an den übrigen Wirbeln im Wirbelkanal. An den jeweiligen Wirbelsegmenten vereinen sich Vorder- und Hinterwurzel der Nerven zu einem Spinalnervenstamm. Dieser ist noch von der Dura mater umschlossen. Kommt es nun zu einer cranialen Dysfunktion (also ein Zug der Hirnhaut in Richtung des Kopfes) so wäre es denkbar, dass an einem oder mehreren Segmenten Spinalnerven gereizt werden.
Es ist auch möglich, dass ein duraler Zug das Kreuzbein in eine Blockade führt. In beiden Fällen könnte dies zu Kreuzschmerzen führen.
Dysfunktion Wirbelblockade
Durch eine ungeschickte Bewegung z. B. Drehung oder Seitneigung kann es zu einer Verhakung in den Wirbelgelenken kommen. Reflektorisch wird die umliegende Muskulatur angespannt und sie halten die Wirbel in dieser Stellung fixiert. Die beteiligten Segmente fangen an zu schmerzen.
Sensibilisierung der Wirbelsäule und des Kreuzbeins über das vegetative Nervensystem
Organe, die ihre nervalen Versorgung aus den lumbalen Wirbelsegmenten erhalten, könnten bei einer Dysfunktion diese Segmente irritieren. Hier lassen sich dann erhöhte Spannungen in Rückenmuskulatur und evtl. Wirbelblockaden feststellen.
Organe des kleinen Beckens, die Nieren und teile des Dickdarms können bei einer Störung, über einen nervalen Reflexbogen, das Kreuzbein in eine Blockade führen.
Dysfunktion Leber
Durch die Leber führt der venöse Blutabfluss des Magen-Darmtrakts. Bei einem gestörtem Abfluss kann es zu einem Stau des Dickdarms kommen und dieser wiederum hat Folgen für den Lendenmuskel. Es entstehen Kreuzschmerzen. Weiterhin ist bei einer Leberstauung eine Abflussbehinderung aus den zuleitenden Organen möglich. Dies hat auch Auswirkungen auf die venöse Drainage der Lendenwirbelsäule, was zu Nervenwurzelreizungen führen kann.
Dysfunktion Niere
Die Niere kann eine Verspannung des M. psoas (Lendenmuskel) bewirken. Hinter den Nieren verlaufen zwei wichtige Nerven (N. iliohypogastricus, N. ilioinguinalis) des Plexus lumbales. Nun kann es zu einer Einklemmung dieser Nerven kommen. Dies führt zu Schmerzen innerhalb ihres Verlaufs. Ebenso können auch hier die restlichen Nerven des Plexus lumbales, welche durch den M. psoas oder an ihm entlang laufen irritiert werden. Dies bewirkt ausstrahlende Schmerzen. Zu sagen ist noch, dass die Niere selbst retroperitoneal liegt. Sie hat also einen engen Bezug zum Rücken und kann ihrerseits ohne andere Organbeteiligung Kreuzschmerzen verursachen.
Dysfunktion Dünndarmsenkung
Der Dünndarm drückt bei einer Senkung ins kleine Becken. Dadurch kommt es zu einer Störung der Beckenorgane. Die können den Beckenboden oder auch über direkte bindegewebige Verbindungen das Kreuzbein in eine Blockade führen. Das Kreuzbein seinerseits löst dann die Schmerzen im Lumbalbereich aus. Zusätzlich entsteht ein erhöhter Zug auf die Radix mesenterii, welche die Aufhängung des Dünndarms darstellt. Auch hieraus können sich Schmerzen im Rückenbereich ergeben.
Dysfunktion Dickdarm
Durch einen Spasmus im Dickdarm kann es zu einem verminderten Abtransport von Stoffwechselprodukten kommen. Diese reichern sich im umliegenden Bindegewebe an und können sich in der Psoasfaszie (Bindegewebshülle des Lendenmuskels) ablagern. Dadurch entstehen Verklebungen an der Faszie. Diese irritieren den Lendenmuskel, der seinerseits eine Auswirkung auf die Lindenwirbelsäule hat.
Dysfunktion Zwerchfell
Das Zwerchfell trennt die Brust- von der Bauchhöhle. Es läuft vom unteren Brustkorbrand zur Lendenwirbelsäule. Dabei reichen lang ausgezogenen Schenkel (Crus diaphragma) bis zum 3ten Lendenwirbelkörper. Eine Verspannung des Zwerchfells könnte zu einem erhöhten intraabdominellen Druck führen. Ähnlich wie bei einer Leberstauung ist die venöse Entsorgung des Blutes der Wirbelkörper betroffen. Es entstehen pseudoradikuläre Schmerzen (ähnliche Schmerzen treten auch bei einem Bandscheibenvorfall auf).
Auch zu berücksichtigen ist, dass dadurch die Bauchorgane komprimiert werden. Sie können nun ihrerseits Probleme an der Wirbelsäule verursachen.
Muskulatur
Es ist wichtig die umliegende Muskulatur und die Fascia thoracolumbalis (Sie ist eine bindegewebige Strukur, welche die Rückenmuskulatur umschließt) zu testen.
Da Spannungen über die Muskeln und der Faszie auf die Wirbelsäule übertragen werden können.
Man sollte noch anmerken, dass die Lendenwirbelsäule, das Becken und die Hüftgelenke eine funktionelle Einheit sind. Diese Strukturen beeinflussen sich gegenseitig. So wirken sich Fehlstellung der Hüfte, des Beckens auch immer auf die Lendenwirbelsäule aus.
Dysfunktion oberes Sprunggelenk nach Supinationstrauma (Umknicken des Fußes)
Kommt es zur Supination gleitet das Wadenbein nach unten und das Schienbein-Wadenbein-Gelenk kann sich in dieser Stellung fixieren. Dies führt zu einem Zug auf die hintere Oberschenkelmuskulatur, der das Becken nach hinten zieht. Hier kommt es zu einer Bewegungseinschränkung im lumbosacralen Übergang (evtl. zu einer Delordorisierung).
Zentralsehne
Sie bildet eine zentrale, innere Kette im menschlichen Körper und ist wichtig für die Körperhaltung. Der Mensch ist stets bestrebt die Augen und das Gleichgewichtsorgan horizontal zu halten. Es gibt nun vielfältige bindegewebige Zugwirkung der Zentralsehne aus Thorax, Abdomen, Becken und den Extremitäten, die Spannungen übertragen. Veränderungen dieses Zusammenspiels führt zu einer Veränderung der Haltung und diese evtl. zu Schmerzen in der lumbalen Region. Die Zentralsehne sollte daher getestet und entsprechend behandelt werden.